Kessy - Hier und überall !

Es war ein nasskalter und regnerischer Tag im März, als ich aufwachte von einer durchträumten Nacht. Ich wusste, dass ich heute losgehen würde um nach einem Hund zu schauen. Lotte der lebensfrohe Schäfer/Setter der mich im Februar 1998 verließ, hatte eine Lücke hinterlassen, die nur ein anderer Hund schließen konnte. So zog ich mit meinem Sohn nach dem Frühstück los, um in verschiedenen Tierheimen nach einem Hund zu schauen.

Es regnete unaufhörlich und die Sonne wollte sich gar nicht blicken lassen aus den Dunkel der  verhangenen Wolken am Himmel. Nach dem dritten Tierheim wollten wir schon aufgeben, hatten wir doch nichts gefunden, was mir zusagte. In den meisten Tierheimen gab es nur große Hunde. Natürlich hätte ich viele mitnehmen können, doch über 40 cm durfte kein Hund mehr bei uns einziehen, auch wenn viele wirklich liebenswert waren.

 

Also auf zum nächsten Tierheim. Hier bekamen wir die Hunde gar nicht zu sehen, sondern konnten an Hand einer Informationstafel den Hund aussuchen, der uns gefällt und so ziemlich in unser „Muster“ passen könnte. Und dann sah ich sie, einen jungen Hund, fast noch Welpe. Vier Monate stand auf dem Infoblatt. Zierlich und kess schaute sie schon damals auf dem Foto aus. Den wollten wir uns anschauen.

Mit dem Infoblatt gingen wir zu einem der Mitarbeiter, damit er uns den Hund zeigen konnte. Er nahm uns mit hinaus in die Zwingeranlagen und da saß sie in der Mitte des Zwingers. Sie starrte auf die Tür und wartete wohl auf die, die sie hier abgegeben hatten. Vielleicht verstand sie nicht, warum sie in einem Zwinger saß, ohne ihre Familie, die sie einfach im Tierheim abgegeben hatte.

Als Fundtier wurde Kessy abgegeben, und das, obwohl sie brav neben der Finderin saß und sich gar nicht  fremd benahm, wie uns die Mitarbeiter des Tierheims später erzählten. Nicht zuletzt aus dem Grund, dass sie an den Angaben der Frau zweifelten, konnten wir Speedy, wie Kessy früher hieß, ein paar Tage später mitnehmen ohne die Wartezeit abwarten zu müssen, die es sonst bei gefunden Hunden eingehalten werden muss.

Der Junghund saß inmitten dieses Zwingers und nahm kaum das Geschehen um sich herum wahr. Sie lies sich willig  ein Halsband mit Leine überstreifen und ging mit dem Pfleger in die Futterkammer, wo wir uns den Hund in Ruhe anschauen konnten, da es draußen noch immer in Strömen goss. Sie schaute verwundert um sich,  wer denn die fremden Menschen waren, die nun in die Hocke gingen, um sie genau zu betrachten.  Ich lockte sie zu mir und es war wie Liebe auf den ersten Blick, als mich die braunen Augen ansahen. Sie oder keine, war mein erster Gedanke, als sich die Hündin willig streicheln lies. Auch mein Sohn war von dem kleinen Hund angetan und so beschlossen  wir sie mitzunehmen, sobald sie das Tierheim frei gab. Ohne Probleme ging sie an der Leine mit in den Informationsraum wo wir die Formalitäten erledigen, damit  Kessy bald bei uns einziehen konnte.

Ein paar Tage später war es soweit und wir holten Kessy aus dem Tierheim ab. Sie  bekam ein neues Halsband und eine neue Leine. Sie zog mit uns los, ihrer neuen Heimat entgegen. Autofahren schien sie gewohnt zu sein, denn ihm Auto benahm sie sich gesittet. Sie saß im Fußraum des Beifahrersitzes, einen Platz den sie später nur dann aufsuchte, wenn die Fahrten lang und die Temperaturen heiß waren. In meinem alten Golf, den ich  damals noch hatte, fuhr sie immer im Steilheck mit. Dort fühlte sie sich wohl. Später bekam sie  einen Gurt mit einer Kurzen Leine, der am Sicherheitsgurt auf der Rückbank befestigt wurde. So hatte sie die Bewegungsfreiheit, die sie wollte  und war doch einiger maßen gesichert. So ausgerüstet fahren wir oft lange und weite Strecken.

Als wir zu Hause ankamen und Kessy die paar Stufen zu ihrem neuen zu Heim hinauf lief, wurde sie schon von Cindy dem Mittelschnauzer erwartet. Wir hatten sie vor ein paar Tagen mit ins Tierheim genommen, um zu schauen, ob sich die Hunde verstehen. Ohne dieses wäre es sehr schwer gewesen die beiden, zwar nicht zusammen wohnenden, Hunde zu halten. So traf Kessy noch eine Vertraute, die ihr das Eingewöhnen erleichterte. Kessy bekam ihren neuen Korb und ihre Futterstelle gezeigt und durfte erst einmal die Wohnung erkunden, in der sie  von nun an leben würde. Sie gewöhnte sich schnell ein und wurde ein sehr braver und liebenswerter Hund, der viel und oft gekrault werden und am liebsten immer Mittelpunkt  sein möchte. Auf Schritt und Tritt folgte mir Kessy. Schon bald ging es hinaus in die angrenzenden Felder und an den Rhein. 

Gewohnt mit  Lotte große Touren zu gehen, unternahm ich mit Kessy das selbe und vergaß manches mal dabei, dass sie noch ein Welpe war, dem die großen Touren schwer fielen. So unternahmen wir zunächst nur viele kleinere Ausflüge, um den Junghund nicht zu überfordern.

Kessy lernte wie alle meine Hunde aufs Wort zu gehorchen und konnte dann oft  ohne Leine die Umgebung genießen. Wobei es uns öfter an den Rhein zog, wo sie ihre kleinen, flinken  Beine bewegen konnte. Mit dem Wind um die Wette, ihr Schnelligkeit immer wieder mit anderen Hunde  zu testen, ist ihre größte Freude und so fordert sie jeden Hund den sie trifft zum Spiel auf mit ihr um die Wette zu rennen die wenigsten Hunde bekommen den kleinen Feger ein. Zudem hat sie sich angewöhnt bzw. das machte sie schon als Welpe, immer im Kreis zu rennen, was dem Federgewicht nicht schwer fällt, den anderen Hunden schon und liegen diese dann erschöpft im Gras – bellt Kessy sie frech an und fordert  das Spiel aufs neue herauf.

Cindy begleitet uns oft auf unseren Wegen, doch konnte sie selten mit der quirligen Kessy  Schritt halten. Von dem oft schrillen Bellen von Kessy, klingelten ihr wohl öfter die Ohren und doch stampfte sie mit, wenn es hinaus ging und lies sich gelegentlich auch zum Spiel auffordern. Aber dieser kleine Hund war ihr einfach zu schnell.  Beiden Hunden war Wasser eher zum Trinken angenehm als zum Baden. Sie mieden den Rhein, die Baggerlöcher und während Cindy durch jede Pfütze trabte, umging Kessy  diese, um ja nicht nass zu werden. Auch bei Regen geht Kessy nicht gerne vor die Tür.  Aber bei Schnee, wenn er denn mal fällt, ist sie kaum zu halten, denn Schnee liebt sie und darin herumzutoben noch mehr. Kessy jagt stundenlang hinter Bällen und Stöckchen her, wenn sie jemanden findet, der sich ihrer annimmt und ihr den Ball  wirft. Meistens ist es Chris, der mit uns an den Rhein geht und mit ihr Bällchen wirft – Damm rauf und runter, nein, der Hund ist nicht müde zu bekommen, eher fallen uns die Arme ab.

Zu Hause ist Kessy  ein angenehmer Hund, der in der Wohnung gar nicht bellt, höchstens mal anschlägt. Das Bellen holt sie später draußen nach, da bellt sie umso freudiger.  So liegt sie meistens in ihrem Korb der neben mir am Schreibtisch steht oder auf dem Sofa, wo für sie eine Decke liegt und nachts auf meinem Bett. An diesen Plätzen kann sie sich richtig einkuscheln, denn Wärme liebt Kessy. So kann sie auch im Sommer öfters in der prallen Sonne liegen, wo andere Hunde schon hechelnd im Schatten leiden.

Auch in der Wohnung darf Kessy spielen, auch das kommt nicht zu kurz. Chris wirft ihr den Ball oft die Treppe runter oder sie nagt an  einem Kauknochen. Was sie auch gerne macht, Futter verstecken für „harte“ Zeiten. Nur sie frisst es dann nicht mehr. So gehe ich öfter durch alles Zimmer und sammle das Futter auf, was Kessy versteckt hat um es ihr bei Gelegenheit wieder zu zustecken und darauf zu achten, dass sie es nicht wieder versteckt. Schon interessant zu zusehen, wie eine Ecke dann zum Gartenboden wird. Zunächst wird mit der Pfote ein Loch gegraben, was nur Kessy sieht,  dann das Futter  in Form eines Leckerli hineingelegt und dann mit der Nase zugeschoben – fertig. Und dann geh ich hin und sammle so einfach alles auf, was Kessy „mühsam“ versteckt hat mit  ein paar braunen Augen im Rücken, die mir skeptisch dabei zuschauen. Ich möchte manches Mal wissen, was Kessy sich dabei wohl denkt. Zum Glück versteckt sie nur Trockenfutter.

Als Cindy noch lebte, hat sie so manches Futter gefunden, sich so einen Zusatz zu ihrem Futter gesammelt und genüsslich verspeist. Auch wenn Kessy ihr zusah, es kam nie zu Streitigkeiten zwischen den beiden so unterschiedlichen Hunden. Was Cindy bei  Lotte nie durfte, testet sie bei Kessy aus. Sie ließ sie gewähren, wenn sich Cindy mal in Kessys Korb legte. Bei Lotte hätte Cindy sich das nie getraut. So lag öfter mal Cindy im Korb und Kessy beobachtete das, während sie unter dem Tisch lag.  Doch unwohl fühlte sich Cindy immer, als wenn sie genau wüsste,  dass sie etwas Verbotenes tat.

Zu Fremden verhält sich Kessy eher misstrauisch und manchem Mann geht sie grundsätzlich aus dem Weg. Dazu lässt sie sich von Fremden nicht anfassen, nimmt auch nichts an, und das obwohl sie ein kleines Schleckermaul ist: Mit schon ein wenig Milch kann man ihr eine große Freude machen. Dann tanzt sie auch schon mal vor mir her springt mich an, damit ich nicht vergesse ihr etwas zu geben. Kleine Kunststücke habe ich ihr auch beigebracht.

Kessy gibt ungern Pfötchen und wo eine Zeitung, liegt geht Kessy gar nicht gerne hin. Ich denke, dass ist eine Erinnerung an die Vorbesitzer, die sie bisher nicht abgelegt hat obwohl Kessy bei mir nie etwas Böses geschehen ist und sie immer mit  liebevoller Hand geleitet wird. Kämmen ist Kessy ein graus. Das weiche Fell verknotet schnell besonders an den Ohren, wo sie einen schönen Behang hat und auch schon mal nur ein Ohr hochstellt. Mit beiden Ohren hochgestellt sieht sie wie eine Fledermaus aus.

Ein außergewöhnlicher, kleiner Hund, ein kleiner Feger, manchmal auch Hans Dampf in allen Gassen und doch so lieb und schmusebedürftig und am liebsten nur Mittelpunkt. Muss ich Kessy mal allein lassen, dann ist sie traurig. Sie sitzt am Fenster und schaut hinaus, wann ich um die Ecke biege, um sich dann riesig zu freuen, dass ich wieder da bin. Ich glaube, am liebsten würde Kessy mich dann nie mehr weglassen. 

© Birgit Lindemann Februar 2005

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